L’Italiano fuori d’Italia

Italienisch in Deutschland mit italienischer Perspektive: Anna Raimo interviewt Tatiana Bisanti

intervista in italiano

Tatiana Bisanti hat in Pisa studiert und in Saarbrücken promoviert. Sie lehrt italienische Sprache, Film- und Literaturwissenschaft am Romanistischen Institut der Universität des Saarlandes. In ihren Publikationen hat sie sich mit der italienischen Literatur der Gegenwart und der Renaissance befasst, sowie mit Film und Medien in Italien. Ehrenamtlich arbeitet sie an der Organisation von fachdidaktischen Tagungen und Workshops und engagiert sie sich für die Förderung der italienischen Sprache und Kultur.

Ich danke Ihnen, liebe Frau Dr. Bisanti, für Ihre Bereitschaft zu diesem Interview mit Insula europea, um uns ihre Sicht als Italienischdozentin in Deutschland zu vermitteln. Bei einem Interview, das ich kürzlich mit Konsul Enrico De Agostini führte, wurde auch die Lage des Italienischen besprochen, das beim Fremdsprachenunterricht in Deutschland an sechster Stelle steht. Woran liegt das ihrer Meinung nach?

Ja, das trifft leider zu. Im fremdsprachlichen Schulunterricht steht Italienisch auf Platz 6, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. In Deutschland wird das Italienische in der Schule vorwiegend als dritte Fremdsprache gelernt. Für viele ist es ein Wahlfach, zudem in Konkurrenz mit anderen Fremdsprachen, vor allem mit dem Spanischen, das als nützlicher betrachtet wird, weil es international weiter verbreitet ist. Im Hinblick auf die Gesamtzahl der Italienischlernenden steht unsere Sprache hinter Englisch, Französisch, Latein, Spanisch und Russisch. In den Volkshochschulen sieht die Situation etwas besser aus: hier steht Italienisch an vierter Stelle, was damit zusammenhängt, dass das Publikum dort Sprachkurse weniger aus beruflichen, sondern eher aus persönlichen oder touristischen Gründen besucht, oder aus Interesse an der Kultur eines Landes. Allerdings ist auch an Volkshochschulen ein Rückgang der Teilnehmerzahl der Italienischkurse zu verzeichnen. An den Universitäten ist die Situation noch dramatischer. Hier hat sich die Studierendenzahl der Italianistikstudiengänge in den letzten zwanzig Jahren um ein Drittel verringert. Natürlich sind die Ursachen sehr unterschiedlich. Generell kann man aber sagen, dass das Italienische an Boden verloren hat, weil es immer mehr als ein “Orchideenfach” betrachtet wird. Wer heute Italienisch lernt, tut dies nicht für berufliche Zwecke, sondern vor allem, weil er familiäre Wurzeln in Italien hat – was einer der Hauptgründe ist, wenn man bedenkt, dass die italienische Gemeinde in Deutschland zu den größten Ausländergruppen gehört. Das Interesse für Italien als Kulturnation, das noch vor wenigen Jahren ein Anziehungspunkt war, scheint heute keine wesentliche Rolle mehr zu spielen: Man bevorzugt Sprachen, die attraktiver erscheinen, weil sie mehr mit Vorstellungen von Spaß und Leichtigkeit assoziiert werden. Früher mal fand das Italienische im Ausland großen Anklang, weil es mit Lebensfreude, mit der Vorstellung der “Dolce Vita” in Verbindung gebracht wurde, so wie es im berühmten und beliebten Film von Fellini dargestellt wird. Heutzutage ist es das Spanische, das diese Idee der Lockerheit und Sympathie besser vermitteln kann.
Wer das Spanische dem Italienischen vorzieht, tut dies natürlich vor allem aus pragmatischen, beruflichen Gründen: Viele meinen, die weitere Verbreitung des Spanischen biete mehr Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Dennoch bin ich überzeugt, dass neben den rationalen Motivationen auch eine starke emotionale Komponente mitspielt. Um es etwas provokant zu formulieren: Wenn wir in den letzten Jahren in Italien mehr Hits wie „Despacito“ produziert hätten und weniger Politiker, die im Ausland unseriös, lächerlich und unzuverlässig erscheinen, hätte auch die italienische Sprache mehr Prestige oder zumindest mehr Zulauf.

Aus Ihrer Untersuchung geht hervor, dass mehr Spanisch als Italienisch gelernt wird. Glauben Sie also, dass das Italienische nicht so nützlich ist?

Vielen begründen ihre Präferenz für die spanische Sprache, wie gesagt, mit dem Argument der Nützlichkeit. Diese Begründung erweist sich aber als ein Vorurteil, das keineswegs der Wirklichkeit entspricht. Wenn wir nämlich das Außenhandelsvolumen Deutschlands betrachten, ergibt sich, dass Italien in der Rangfolge der Handelspartner im Export und Import den 6. Platz einnimmt. Dabei übertrifft es bei weitem Spanien, das sich erst an 12. Stelle befindet. Ganz zu schweigen von den lateinamerikanischen Ländern, die noch weniger relevant sind. Aus diesen Zahlen ergibt sich also eindeutig, dass italienische Sprachkenntnisse bei einer Tätigkeit in der Wirtschaft keineswegs nutzlos sind, oder zumindest nicht nutzloser als spanische. Die Handelsbeziehungen zwischen Italien und Deutschland sind intensiv und stabil und begleitet von engen Beziehungen im Bereich der Medien und der Kultur.

Am Ende ihres Artikels betonen Sie: “Alles ausschließlich auf die traditionellen Studiengänge und die Ausbildung von Spezialist*innen für Linguistik und Literatur zu setzen, könnte sich als eine erfolglose Strategie herausstellen […]. Den Wirkungsbereich zu erweitern, indem das Fremdsprachenstudium mit interdisziplinären Studiengängen verbunden wird, hat sich in vielen Hochschulen als eine umsichtige und zukunftsweisende Strategie erwiesen. Um der paradoxen Situation zu begegnen, dass der Fremdsprachenunterricht gerade in einer immer globaleren Welt an Boden verliert, ist es unumgänglich, den Kontakt zu Institutionen, Vereinigungen und Gruppen jeder Art zu suchen und Netzwerke von Studierenden, Dozierenden und verschiedenen Akteuren zu bilden. Nur eine Lehre, die Professionalisierung, Interdisziplinarität und Internationalisierung im Fokus hat, kann den Anforderungen und Herausforderungen der Zukunft entgegentreten.” Wie lässt sich diese Situation noch verändern?

Ich gehe hier von der deutschen Perspektive aus. Um den Italienischunterricht in Deutschland wirksam zu fördern, muss man auf verschiedenen Ebenen agieren. Im Hochschulstudium wäre eine Modernisierung der Inhalte wünschenswert. Eine Spezialisierung im Bereich Literatur und Linguistik bleibt selbstverständlich eines der Ziele eines Universitätsstudiums, doch ist nicht zu übersehen, dass die Nachfrage der Studierenden heute auch zu innovativeren, transdisziplinären, weitgehend berufsorientieren Studiengängen tendiert. Nicht alle wollen Wissenschaftler*innen und Professor*innen werden. Nur wenige können Lehrer*innen werden, weil es an deutschen Schulen leider nur wenige Stellen für Italienisch gibt. Man könnte eine größere Zahl von Studierenden ansprechen, wenn das Studium ein Sprungbrett für einen dynamischeren Beruf wäre. Die geisteswissenschaftliche Ausbildung, kombiniert mit interkulturellen Kompetenzen und dem Potenzial der neuen Medien, würde sich nicht als ein überflüssiges, dekoratives und unnötiges Beiwerk erweisen, sondern als ein wertvolles Instrument, um den Herausforderungen des neuen Jahrtausends zu begegnen.

Im Bereich des Schulwesens ist die Situation sehr komplex. Die Möglichkeit, von außen darauf einzuwirken, ist sehr begrenzt. Hier kommt es nicht nur auf die Entscheidungen der einzelnen Schulen an, sondern auch auf die Bildungspolitik der jeweiligen Bundesländer. In den letzten Jahren wurde der Italienischunterricht stark reduziert. Für eine Umkehr dieser Tendenz wären nicht nur mutige Entscheidungen, sondern auch ein allgemeines Umdenken erforderlich. In der öffentlichen Meinung und somit auch bei den Eltern müsste sich das Bewusstsein durchsetzen, dass Italienischkenntnisse in einer Gesellschaft, die sich als europäisch versteht, ein Mehrwert sind. Deshalb habe ich auch in meinem Beitrag die Notwendigkeit einer Vernetzung hervorgehoben. Nur über das Networking kann man heute auf institutioneller Ebene, in Vereinen und auch privat auf sich aufmerksam machen und eine bedeutendere Rolle erlangen.

Glauben Sie, dass eine Kooperation verschiedener Universitäten und Schulen, wie das bereits durchgeführte Projekt Saarbrücken-Salerno, die Situation des Italienischunterrichts verbessern könnte?

Die Bilanz des binationalen Masters in “Linguistica e didattica dell’italiano”, der vor vier Jahren durch eine Kooperation der Universitäten Salerno und Saarbrücken gestartet wurde, halte ich für äußerst positiv. In den letzten Jahren wurden in Deutschland verschiedene Kooperationsabkommen mit italienischen Universitäten abgeschlossen, und es wurden verschiedene binationale Studiengänge mit mehr oder weniger Erfolg ins Leben gerufen. Ein grundsätzliches Problem ist bei diesen Projekten das Ungleichgewicht zwischen den italienischen und den deutschen Studierenden: Viele italienische Studierende sind an einem Austauschprogramm mit Deutschland interessiert, weil sie sich davon bessere Berufschancen erhoffen. Auf deutscher Seite dagegen ist es schwieriger, Studierende mit italianistischem Schwerpunkt zu finden, weil die Berufsaussichten als unsicherer gelten. Trotz allem bestärken mich die Erfahrungen der letzten Jahre in meiner Überzeugung, dass gerade durch diese Austauschprogramme, durch die Intensivierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern neue Möglichkeiten entstehen. Es ist ein langer, mühsamer Weg, aber ich bin überzeugt, dass es sich lohnt. In diesem Sinne kann sich die Einführung von neuen deutsch-italienischen Kooperationsprojekten an Schulen und Universitäten als sehr fruchtbar erweisen und sollte unbedingt gefördert werden. Im dritten Jahrtausend sollte nicht mehr von italienischen, deutschen, französischen Studierenden die Rede sein, sondern in erster Linie von europäischen. Deshalb halte ich auch den Austritt Großbritanniens aus dem Austauschprogramm Erasmus+ für einen großen Verlust und schwerwiegenden Fehler, und die britische Bevölkerung wird als erste dafür bezahlen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Sprache ist leider auch ein Spiegel der Gesellschaft, und in den letzten Jahren durchlebt Italien eine Zeit politischer und vor allem wirtschaftlicher Krisen. Glauben Sie, dass eine neue Politik der italienischen Regierung die Lage des Italienischen im Ausland verbessern könnte?

Ja, das denke ich. Leider können wir vom Ausland her wenig bewirken, aber einige Ergebnisse wurden doch erzielt. Eine der Aktivitäten der Vereinigung der Italienischdozierenden in Deutschland (Associazione dei Docenti di Italiano in Germania) , in derem Vorstand ich jahrelang, teilweise auch als Vorsitzende, mitgewirkt habe, besteht in der Zusammenarbeit mit italienischen Institutionen, sowohl mit dem Außenministerium in Italien, als auch mit den Auslandsvertretungen in Deutschland. Die letzten italienischen Regierungen waren sich darüber bewusst, wie wichtig Sprachenpolitik ist, und haben verschiedene Initiativen in die Wege geleitet, um die italienische Sprache auf internationaler Ebene zu fördern. Ich denke zum Beispiel an die “Stati Generali della Lingua Italiana”. Die erste Veranstaltung fand 2014 in Florenz statt, weitere folgten im zweijährlichen Rhythmus. Bei dieser Gelegenheit wurde die Notwendigkeit einer zuverlässigen Datenerhebung hervorgehoben, um die Entwicklung der italienischen Sprache auf internationaler Ebene konstant zu verfolgen. Auf die Probleme, die sich bei der Datenerfassung ergeben, bin ich in dem eben von Ihnen erwähnten Artikel eingegangen. Obgleich einige Daten zu überprüfen sind, ist die Initiative als solche gewiss zu begrüßen.

Das Problem der Datenerhebung ist einer der heikelsten Punkte. Der ADI-Verein hat sich für zuverlässigere Statistiken eingesetzt. Dabei wurden auch Daten für den Italienischunterricht an Universitäten erhoben. Das Hauptziel des Vereins ist prinzipiell, ein Netzwerk der verschiedenen Akteure im Bereich der Italienischdidaktik zu bilden und damit die Universitäten mit den Schulen und Volkshochschulen, mit den vom Italienischen Außenministerium finanzierten Kursen, mit den Italienischen Kulturinstituten u.a. zu verbinden. Ein erstes wichtiges Ergebnis war die Veranstaltung der “Stati Generali della Lingua Italiana” in Deutschland, die 2016 vom ADI in München organisiert wurde (https://adi-germania.org/it/stati-generali-della-lingua-italiana-in-germania-2016/ ), gefolgt von einer Tagung in Berlin, die 2018 in Zusammenarbeit mit dem Italienischen Kulturinstitut und der Italienischen Botschaft unter dem Motto “L’italiano, una lingua per l’Europa“ veranstaltet wurde („Italienisch, eine Sprache für Europa“, https://iicberlino.esteri.it/iic_berlino/it/gli_eventi/calendario/convegno-l-italiano-una-lingua.html ).
Man sollte nicht vergessen, dass der italienische Staat weiterhin Mittel für den Italienischunterricht im Ausland, für Förderung von Kultur und Lehrerfortbildungsmaßnahmen außerhalb Italiens bereitstellt. Nicht alle Gelder werden optimal investiert, doch hier ist der Kontakt mit den lokalen Institutionen besonders wichtig. Dort, wo die Regierung verlässliche Gesprächspartner*innen finden konnte, die sich mit den örtlichen Gegebenheiten auskennen, wurden die Gelder in nützliche Projekte investiert. Leider ist das nicht immer so. Man muss im Auge behalten, wie sich die Situation in den kommenden Jahren entwickelt. Es ist nicht auszuschließen, dass die Staatsschulden, die Italien jetzt aufnehmen muss, um die schwierige Situation der Pandemie zu bewältigen, Kürzungen im Bereich Kultur- und Sprachförderung zur Folge haben werden. Ich hoffe, dass dies nicht geschehen wird, denn es wäre keine weitsichtige politische Entscheidung. Wie wichtig es ist, die Beziehungen Italiens im Ausland zu fördern, sehen wir gerade jetzt, wo sich die Zusammenarbeit der europäischen Länder als unerlässlich für die Überwindung einer nie dagewesenen Notlage erweist. Nun, wir werden sehen.

Ein Artikel der Zeitschrift Il Mitte berichtete 2014 darüber, dass die Universität des Saarlandes mit der Schließung der Italianistik-Studiengänge drohte. Es folgte ein Appell der Accademia della Crusca. Hat sich die Situation inzwischen etwas verbessert, vielleicht auch dank des internationalen Masterstudiengangs LIDIT?

Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen, konnten aber noch sehr viel retten und haben den Moment der schweren Krise dazu benutzt, neue Projekte zu entwickeln. Wir mussten auf den Lehrstuhl für italienische Literatur verzichten, ein schmerzlicher Verlust für ein Institut, das schon damals mit einem sehr begrenzten Personal arbeitete. Hartnäckig und mit Erfolg – was auch dem rechtzeitigen Einschreiten des damaligen italienischen Botschafters Pietro Benassi zu verdanken ist – haben wir den bedeutenden Lehrstuhl für italienische Linguistik gerettet, der internationales Prestige hat, weil er seit über 40 Jahren ein außerordentliches Forschungsprojekt leitet, aus dem das Italienische Etymologische Lexikon entstanden ist: ein einzigartiges, monumentales Werk, das größte etymologische Wörterbuch der italienischen Sprache weltweit. Wir haben das Potential dieser Forschungsstelle von großem internationalen Prestige benutzt, um die Zusammenarbeit mit italienischen Universitäten zu intensivieren. Das betrifft vor allem die Universität Salerno, mit der wir gemeinsam den binationalen Masterstudiengang in “Linguistica e Didattica dell’italiano a livello internazionale” (LIDIT) ins Leben gerufen haben. Die Masterstudierenden haben so die Möglichkeit, im ersten Studienjahr in Salerno gute Grundlagen in Sprachwissenschaft und Fremdsprachendidaktik zu erwerben und diese Kenntnisse dann in Saarbücken bei einem lexikographischen Praktikum im Rahmen des LEI und bei einem Praktikum für Italienischdidaktik am Sprachenzentrum der Universität anzuwenden. Dies ist meiner Ansicht nach eine einmalige Gelegenheit: solide wissenschaftliche Kenntnisse werden bereits im Studium durch die berufliche Anwendung ergänzt und vertieft.

Das Studium des Italienischen wurde auch dadurch erweitert, dass es an interdisziplinäre Studiengänge gekoppelt wurde. Module zur italienischen Sprache und Kultur werden zum Beispiel im Rahmen von komparatistischen oder europäischen Studien angeboten.
Das Saarländische Kultusministerium hat leider beschlossen, den Lehramtsstudiengang für Italienisch zu streichen. Auf solche Entscheidungen haben die Hochschulen keinen Einfluss. Dies ist auf eine deutschlandweite Reduzierung des schulischen Fremdsprachenunterrichts zurückzuführen, die sehr bedauerlich ist. Das Italienische ist davon in besonderem Maße betroffen.

Die deutschen Länder sind bekanntlich weitgehend autonom in der Bildungspolitik. Glauben Sie, dass es Länder gibt, in denen der Italienischunterricht in den letzten Jahren verstärkt wurde?

Leider wurde das Italienische in den letzten Jahren in keinem der deutschen Länder verstärkt. Im Gegenteil lässt sich generell eine rückläufige Tendenz sowohl im Schulwesen, das direkt den Ländern untersteht, als auch an den Hochschulen feststellen. Fast überall werden in den Schulen regelmäßig Italienischkurse gestrichen, und die Nachrichten aus den verschiedenen Hochschulen Deutschlands sind auch nicht ermutigender. Sogar in Bayern, einem der Länder, das traditionsgemäß, auch wegen der geographischen Nähe zu Italien, als eine der italienischen Hochburgen in Deutschland gilt, ist die Situation der italienischen Sprache nicht rosig. Dort kann zum Beispiel Italienisch in der Schule nur kombiniert mit Englisch unterrichtet werden. Dies hat zur Folge, dass viele Lehramtsstudierende andere Fächer wählen und somit die Zahl der Studierenden, die Italienisch auf Lehramt studieren, immer mehr zurückgeht.

Wie ist die Lage der italienischen Sprache in Saarbrücken?

Um der bereits erwähnten kritischen Situation zu begegnen, hat unsere Universität gezielte Maßnahmen ergriffen, um einem möglichen Rückgang bei den Zahlen der Italianistikstudierenden entgegenzuwirken. Am Sprachenzentrum, wo die italienische Abteilung von meiner Kollegin Paola Netti koordiniert wird, sind ausgesprochen gute Zahlen zu verzeichnen, sogar in dieser schweren Zeit der Pandemie, in der die Lehrveranstaltungen digital stattfinden müssen, eine Bedingung, die vor allem für einen Sprachkurs alles andere als optimal ist. Trotz allem haben sich mehr Studierende für Italienisch als für Französisch eingeschrieben. Dies ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Französisch im Saarland eine Grenzsprache ist und somit eine besondere Rolle und große Bedeutung für diese Region besitzt. Die Bilanz des Italienischen ist also in Saarbrücken im Wesentlichen positiv, wobei ich allerdings nicht weiß, ob man das auch von den anderen deutschen Universitäten sagen kann.
Bei den Schulen hingegen ist die Tendenz leider negativ. Dies ist ein ganz wichtiger Bereich, und hier muss man eingreifen, wenn man das Italienische als Fremdsprache effektiv und langfristig fördern will.

Glauben Sie, dass auf EU-Ebene Projekte entwickelt werden können, um die italienische Sprache in Europa zu fördern und zu verbreiten?

Förderung und Verbreitung der italienischen Sprache ist vor allem Aufgabe des italienischen Staates. Die europäischen Institutionen fördern nicht die einzelnen Sprachen, sondern ergreifen Maßnahmen zur Unterstützung der Mehrsprachigkeit und sprachlichen Vielfalt in unserem Kontinent. Dazu gehört zum Beispiel eine regelmäßige Datenerhebung über den Fremdsprachenunterricht an den Schulen. Dies ist ein grundlegender Index, an dem sich jedes EU-Land auch intern orientieren sollte. Die Tendenzen können nur richtig interpretiert werden, wenn sie in ihrem Kontext untersucht werden. Es hat keinen Sinn, festzustellen, dass das Italienische auf dem Rückzug ist, wenn man nicht gleichzeitig die Situation der anderen Sprachen analysiert. Auf europäischer Ebene ist man sich der Bedeutung der Sprachenförderung bewusst, und es wurden hier schon bedeutende Initiativen ergriffen. Das bekannteste Projekt ist das Programm Erasmus+, ein Meilenstein auf dem Weg der Förderung von Mehrsprachigkeit. Schon seit dreißig Jahren ermöglicht es jungen Menschen aus ganz Europa, die Landesgrenzen zu überschreiten und sich selbständig mit anderen Ländern, Sprachen und Kulturen, sowie mit einer anderen Universitäts- und Berufswelt auseinander zu setzen. Dies ist nicht die einzige Initiative auf diesem Gebiet. Die Sprachenförderung ist eines der erklärten Ziele der Kommission, die natürlich nicht das spezifische Ziel der Verbreitung der italienischen Sprache verfolgen kann, sondern generell die Mehrsprachigkeit und die sprachliche Vielfalt fördern will.

Mehrsprachigkeit wird heute sehr hoch geschätzt und als vorteilhaft angesehen (Mehrsprachigkeitsdidaktik, Reimann 2018) Dies hat oft zur Folge, dass Italienisch nach der Herkunftssprache, nach Englisch, Latein und Französisch gelernt wird. Glauben Sie, dass dabei mehr pragmatische als kulturelle Gründe mitspielen?

Es ist schwierig, die Ursache für die Wahl einer Sprache festzustellen und eindeutig zu bestimmen. Oft sind es mehrere Gründe, die dazu führen, dass man der einen oder anderen Sprache den Vorzug gibt. Sie erwähnen auch das Latein, das in deutschen Schulen mehr unterrichtet wird als das Italienische. In diesem Fall hat die Wahl nichts mit Zweckmäßigkeit zu tun. Andererseits können die Überlegungen zur Herkunftssprache nicht zu Ungunsten der italienischen Sprache interpretiert werden, denn für eine große Anzahl von Schüler*innen ist gerade das Italienische die Herkunftssprache. Die italienische Gemeinde im Ausland ist eine bedeutende Zielgruppe, die nicht außer Acht gelassen werden darf, wenn wir unsere Sprache fördern wollen. Auf weite Sicht bewähren sich meiner Meinung nach solche Maßnahmen, die zu einer Integration des Herkunftssprachenunterrichts in das allgemeine Schulprogramm führen, nämlich zu einer Ӧffnung dieser Kurse für Schüler*innen mit einer anderen sprachlichen Herkunft. Der Unterricht der italienischen Herkunftssprache wird schon seit vielen Jahren mit italienischen Mitteln gefördert und finanziert. Ein Meilenstein war das Gesetz Nr. 153 vom 3.März 1971, mit dem “Kurse für italienische Sprache und Kultur“ mit dem Ziel geschaffen wurden, einerseits Italienischkurse für ausgewanderte italienische Familien anzubieten, andererseits die Integration der italienischstämmigen Schüler*innen in den Zuwanderungskontext durch Nachhilfestunden zu fördern. Diese Finanzmittel, die für die Förderung der italienischen Muttersprache im Ausland von großer Bedeutung waren, wurden im Laufe der Jahre erheblich reduziert. Heute ist diese Förderung vor allem dann sinnvoll, wenn es gelingt, den Rahmen für ein gemischtes Publikum, unabhängig von der Herkunft der Schüler*innen, zu erweitern. Für diese Entwicklung gibt es in verschiedenen Fällen schon gute Ansätze. Die Förderung ist umso erfolgreicher, je weniger sie sich auf den engen Rahmen einer einzelnen Sprachgemeinschaft beschränkt.

Haben Sie gute Ratschläge, um junge Menschen zu motivieren, Italienisch zu lernen?

Ich würde vor allem sagen, dass heute jeder im Hinblick auf die Berufsaussichten eine möglichst umfassende und vielseitige Ausbildung mit einer klaren europäischen Ausrichtung haben sollte. Europäische Sprachen zu lernen, und nicht nur die angeblich wichtigsten, ist unerlässlich für jeden, der sich zwanglos in der Berufswelt des neuen Jahrtausends bewegen will. Dies gilt für alle Bereiche, die heute nicht mehr auf nationaler Ebene zu betrachten sind, sondern in einen viel größeren Kontext eingebettet sind. Das zeigt sich deutlich in der gegenwärtigen Situation, die bewiesen hat, wie erfolglos und kontraproduktiv es ist, auf nationaler Ebene Maßnahmen zu ergreifen, und wie viel sinnvoller und wirksamer es dagegen ist, auf europäischer Ebene zu denken, zu planen und zu handeln. Der bewusste Umgang mit Kultur und Sprache verschiedener Länder hilft dabei, wichtige Netzwerke zu bilden und zu erweitern.

anna.raimo@live.it

L'autore

Anna Raimo
Anna Raimo è nata a Pisa il 25 dicembre 1995. Laureata magistrale con il massimo dei voti in Linguistica e didattica dell’italiano nel contesto internazionale presso l’Università degli Studi di Salerno e l’Universität des Saarlandes di Saarbrücken, ha in seguito conseguito un Master di II Livello in Didattica dell’Italiano L2 presso l’Università degli Studi di Napoli L’Orientale. I suoi interessi di ricerca spaziano dalla linguistica e didattica della lingua italiana alla storia, letteratura e poesia contemporanea. Si è infatti occupata dell’italiano dei semicolti nella sua tesi di Laurea Magistrale e ha recentemente pubblicato un articolo su una particolare varietà della lingua italiana: "L’e-taliano: uno scritto digitato semifuturista?", in (a cura di S. Lubello), Homo scribens 2.0: scritture ibride della modernità, Franco Cesati Editore, Firenze 2019, pp. 159-164. Tra i suoi autori preferiti vi sono Mario Vargas Llosa, Jung Chang, Philip Roth, Azar Nafisi, Orhan Pamuk, Anna Achmatova, Rainer Maria Rilke, Federico García Lorca, Alda Merini, Bertolt Brecht e Wisława Szymborska. Le sue passioni sono la lettura, la scrittura di poesie e i viaggi, soprattutto in Germania, paese di cui adora la storia, la cultura, l’arte e i magnifici castelli.

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